Fragen und Antworten zur Einführung der Kontenabrufmöglichkeit der Finanzbehörden ab 1. April 2005
1. Warum wurde die Möglichkeit geschaffen, für steuerliche Zwecke einen Kontenabruf durchzuführen?
Die Finanzbehörden sind nach dem Grundgesetz verpflichtet, die
Steuern gleichmäßig nach Maßgabe der Gesetze festzusetzen und zu
erheben. Die Einhaltung dieser Verpflichtung liegt deshalb nicht im
Belieben der Finanzverwaltung, sondern ist eine
verfassungsrechtliche Vorgabe. Dies liegt zugleich im Interesse
aller ehrlichen Steuerzahler, denn für die Steuern, die ein
unehrlicher Steuerzahler nicht zahlt, muss letztlich die
Allgemeinheit mit höheren Steuern und Abgaben aufkommen.
Folglich müssen die Finanzbehörden in die Lage versetzt werden, die
Angaben der Steuerpflichtigen im Einzelfall mit angemessenem Aufwand
und zielgerichtet prüfen zu können (sog. Verifikationsgebot). Eine
Steuerbelastung, die nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft
und damit der Steuerehrlichkeit des einzelnen Steuerpflichtigen
beruht, würde gegen das "Grundrecht auf Besteuerungsgleichheit"
verstoßen.
Bislang können die Finanzbehörden die Existenz von inländischen
Konten und Depots aber nur durch Angaben des Steuerpflichtigen
selbst oder durch Zufall erfahren. Die Erfahrungen haben gezeigt,
dass dies nicht ausreicht, sondern gesetzliche Verbesserungen
notwendig waren.
Die Finanzbehörden durften schon bisher Kreditinstitute um Auskunft
ersuchen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch den
Steuerpflichtigen nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg
verspricht. Entscheidend ist dabei aber, dass die Finanzbehörde
überhaupt weiß, dass der Steuerpflichtige, um dessen Besteuerung es
geht, ein Konto oder Depot bei dem Kreditinstitut hat, das die
Finanzbehörde um Auskunft bittet. Hier stießen die bisherigen
Ermittlungsmöglichkeiten rechtlich und faktisch an ihre Grenzen.
Denn Auskunftsersuchen an Kreditinstitute zur Feststellung eines
Kontos oder Depots eines Steuerpflichtigen sind nach bisheriger
Rechtslage als Ermittlungen "ins Blaue hinein" unzulässig.
Zugespitzt bedeutet das: die Finanzbehörden dürfen zwar
Kreditinstitute um Auskunft ersuchen - diese müssen dann auch
antworten; sie wissen bislang aber nicht, welche Kreditinstitute sie
fragen können. Genau an diesem Punkt mussten daher Maßnahmen
einsetzen, um eine verbesserte Verifikationsmöglichkeit zu
gewährleisten. Mit der Einführung der Kontenabrufmöglichkeit hat der
Gesetzgeber die Finanzbehörden nun in die Lage versetzt, die Angaben
der Steuerpflichtigen mit angemessenem Aufwand und zielgerichtet
prüfen zu können, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist.
2. Wann kann ein Finanzamt Kontenabrufe veranlassen?
Die Finanzbehörden können im Besteuerungsverfahren nach § 93 Abs. 7 AO einen Kontenabruf durchführen,
- wenn dies zur Festsetzung oder Erhebung von Steuern erforderlich ist und
- ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziele geführt hat oder keinen Erfolg verspricht.
Ein Kontenabruf kann nur anlassbezogen und zielgerichtet erfolgen
und muss sich auch auf eine eindeutig bestimmte Person beziehen.
Eine Rasterfahndung ist also nicht möglich.
Der Kontenabruf muss im Einzelfall auch erforderlich sein. Die
Erforderlichkeit setzt allerdings keinen begründeten Verdacht dafür
voraus, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten vorliegen, ein
strafrechtlicher Anfangsverdacht ist also nicht erforderlich. Es
genügt vielmehr, wenn aufgrund konkreter Momente oder aufgrund
allgemeiner Erfahrungen ein Kontenabruf zur Verifikation der Angaben
des Steuerpflichtigen angezeigt ist.
Für die Kontenabrufmöglichkeit gilt nichts anderes als für
Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 AO und andere vergleichbare
Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden. Eine richterliche
Anordnung ist dafür im Besteuerungsverfahren nicht erforderlich. Die
Rechtmäßigkeit eines Kontenabrufs kann aber selbstverständlich
gerichtlich überprüft werden.
3. Welche Daten kann eine Finanzbehörde durch einen Kontenabruf ermitteln?
Mit einem Kontenabruf können folgende Daten ermittelt werden:
- Nummer eines Kontos oder Depots, das bereits nach geltendem Recht der Verpflichtung zur Legitimationsprüfung nach § 154 AO unterliegt,
- Tag der Errichtung und der Auflösung des Kontos oder Depots,
- Name, bei natürlichen Personen auch Geburtstag, des Inhabers und ggf. eines Verfügungsberechtigten
- ggf. Name und Anschrift eines abweichend wirtschaftlich Berechtigten.
Kontostände und -bewegungen können auf diese Weise nicht abgefragt werden. Dazu sind weitere Ermittlungen, im Regelfall unter Beteiligung des Steuerpflichtigen, erforderlich.
4. Verletzt ein Kontenabruf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung?
Mit dem Kontenabruf hat der Gesetzgeber eine sachgerechte und
verfassungskonforme Abwägung zwischen dem Recht auf informationelle
Selbstbestimmung und dem Gebot der steuerlichen
Belastungsgerechtigkeit getroffen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss jeder
Bürger Einschränkungen seines Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen. Die
Herstellung steuerlicher Belastungsgleichheit ist nach Auffassung
des Bundesverfassungsgerichts ein solches überwiegendes
Allgemeininteresse. Der Gesetzgeber darf - gerade im Interesse der
ehrlichen Steuerpflichtigen und ihres "Grundrechts auf
Besteuerungsgleichheit" - Verletzungen dieser Gemeinschaftspflicht
nicht hinnehmen.
Die Finanzbehörden sind verpflichtet, die Steuern gleichmäßig nach
Maßgabe der Gesetze festzusetzen und zu erheben (§ 85 AO). Sie
müssen dazu den steuererheblichen Sachverhalt von Amts wegen
aufklären (§ 88 AO). Hierbei sind sie auf die gesetzlich
vorgeschriebene Mitwirkung der Beteiligten angewiesen (§ 90 AO).
Es besteht zwar keine Verpflichtung der Finanzbehörden, in jedem
Fall alle Angaben des Beteiligten auf Vollständigkeit und
Richtigkeit zu prüfen; soweit die Finanzbehörde im Einzelfall jedoch
Anlass dazu sieht, muss sie die Angaben des Beteiligten überprüfen.
Anderenfalls ergäbe sich eine Steuerbelastung, die nahezu allein auf
der Erklärungsbereitschaft und der Ehrlichkeit des einzelnen
Beteiligten beruht (vgl. BVerfG-Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 BvR
1493/89, BStBl II S. 654).
Dabei kann sich die Finanzbehörde zur Ermittlung des
steuerrelevanten Sachverhalts aller Beweismittel bedienen, die sie
nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für
erforderlich hält (§ 92 AO). Ein Beweismittel ist die Durchführung
eines Kontenabrufs.
5. Wurde mit der Schaffung der Kontenabrufmöglichkeit das "Bankgeheimnis" abgeschafft?
Die Regelung des - in der Öffentlichkeit häufig als
"Bankgeheimnis" bezeichneten - § 30a AO wurde durch das Gesetz zur
Förderung der Steuerehrlichkeit nicht verändert. Das "Bankgeheimnis"
gegenüber Finanzbehörden wurde also nicht aufgehoben.
Das zivilrechtliche Bankgeheimnis galt und gilt allerdings allein im
Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunde und begründet kein
Auskunftsverweigerungsrecht der Kreditinstitute gegenüber
Finanzbehörden. Im Einzelfall war ein Auskunftsersuchen gegenüber
einem Kreditinstitut daher auch bisher schon zulässig (§ 30a Abs. 5
i.V.m. § 93 AO).
6. Erfolgen Kontenabrufe heimlich?
Der Steuerpflichtige wird vor einem Kontenabruf grundsätzlich um
Aufklärung des steuererheblichen Sachverhaltes gebeten. In diesem
Auskunftsersuchen soll er bereits auf die Möglichkeit hingewiesen
werden, seine Angaben durch einen Kontenabruf zu überprüfen.
Hat sich durch einen Kontenabruf herausgestellt, dass Konten und
Depots vorhanden sind, die der Steuerpflichtige nicht angegeben hat,
wird er mit dieser Tatsache konfrontiert und um Aufklärung gebeten.
Damit wird er also über die Durchführung des Kontenabrufs
informiert.
Ergibt sich keine Diskrepanz zwischen den Erklärungen des
Steuerpflichtigen und dem Ergebnis eines in seinem Fall
durchgeführten Kontenabrufs, soll der Steuerpflichtige im
Steuerbescheid über die Durchführung eines Kontenabrufs informiert
werden.
7. Warum wird das Kreditinstitut nicht informiert?
Eine Information des Kreditinstituts über die Durchführung eines Kontenabrufs ist gesetzlich ausgeschlossen. Dies liegt im Interesse des Betroffenen, weil dadurch sichergestellt wird, dass das betroffene Kreditinstitut keine Kenntnis davon erlangt, dass das Finanzamt die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Steuererklärung eines Kunden in Zweifel zieht. Eine Information des Kreditinstitutes in diesem Verfahrensstadium wäre auch wegen der Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) unzulässig.
8. Erfolgt künftig eine "flächendeckende Durchleuchtung aller Konten"?
Ein Kontenabruf nach §§ 93, 93b AO erfolgt nicht flächendeckend,
sondern nur dann, wenn er im Einzelfall konkret erforderlich ist.
Das Finanzamt erfährt mit einem Kontenabruf zudem nur, bei welchem
Kreditinstitut ein bestimmter Steuerpflichtiger ein Konto oder Depot
unterhält. Es erlangt keine Informationen über Kontenbewegungen oder
Kontenstände. Daher sind nach Durchführung einer Kontenabruf
regelmäßig weitere Nachfragen beim Betroffenen - oder im
Ausnahmefall beim Kreditinstitut - erforderlich.
Von einem "gläsernen Steuerbürger" kann daher keine Rede sein. Das
Finanzamt muss auch bei Durchführung eines Kontenabrufs den
Sachverhalt ermitteln und bekommt die Daten nicht "frei Haus"
geliefert.