Wer muss im Steuerrecht was beweisen?
Wann darf das Finanzamt „schätzen“?
Die steuerlich erheblichen Vorgänge spielen sich in der Sphäre des
Steuerbürgers ab. Da Finanzämter häufig belogen werden, kann es
naturgemäß nicht allein darauf ankommen, was ein Steuerbürger
vorträgt. Das Finanzamt muss nicht „blauäugig“ alles glauben, was
ihm aufgetischt wird. Schließlich hat es den Gesetzesauftrag
„sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben
und Steuererstattungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt
werden“, (§ 85 Satz 2 AO). Das Finanzamt kann Beweise verlangen. Je
unwahrscheinlicher ein Lebenssachverhalt ist, um so eher wird es
dies tun (§ 92 Abgabenordnung AO).
Es kommt immer wieder vor, dass steuerlich erhebliche Tatsachen sich
im Nachhinein nicht mehr feststellen lassen, vielleicht, weil es
entweder nie Beweise
gab oder die Beweismittel nicht mehr zur Verfügung stehen z. B.
infolge eine Brandes im Büro, Verluste von schriftlichen Unterlagen
usw.. Auch in diesem Fall muss das Finanzamt entscheiden. Dies
geschieht nach den sog. Beweislastregeln,
d.h. danach, wer einen bestimmten Lebenssachverhalt zu beweisen
hätte.
Lässt sich also eine rechtserhebliche Tatsache nicht aufklären,
greifen die Regeln der objektiven Beweislast (= Feststellungslast).
Diese lauten:
Steuerbegründende
Tatsachen
und steuererhöhende Tatsachen
hat das FA zu beweisen.
Das bedeutet: Das FA hat den Nachteil zu tragen, der sich daraus ergibt, dass diese Tatsache nicht aufgeklärt werden kann.
Steuerbefreiende Tatsachen
und steuermindernde Tatsachen
hat der Steuerbürger zu beweisen
Das bedeutet: Der Steuerbürger hat den Nachteil zu tragen, der sich
daraus ergibt, dass diese Tatsache nicht aufgeklärt werden kann.
Beispiele
1. Ein Steuerbürger macht in seiner Einkommensteuererklärung Aufwendungen für Fachliteratur geltend. Trotz Aufforderung durch das Finanzamt (FA ) weist er die (steuermindernden) Aufwendungen nicht nach. Das FA kann deshalb den (zweifelhaften) Sachverhalt nicht aufklären. Die Aufwendungen sind, da steuermindernd, vom Steuerbürger zu beweisen. Das FA muss daher den Abzug der Aufwendungen versagen.
2. Das FA ist der Auffassung, ein Steuerbürger habe gewerbliche Einkünfte. dieser. bestreitet dies. Da das FA die steuerbegründende Tatsache nicht beweisen kann, sind gewerbliche Einkünfte nicht anzusetzen.
3. Ein Steuerbürger macht geltend, seine Umsätze seien nicht
steuerpflichtig, sondern steuerfrei.
Die Voraussetzungen hierfür hat er zu beweisen, da er sich auf
Steuerfreiheit beruft. Gelingt ihm der Beweis nicht, sind die
Umsätze als steuerpflichtig zu behandeln.
4. Zwischen dem Steuerbürgern X und. Y ist streitig, ob der X im
Jahr 2008 3.000 € an den
Y gezahlt hat. Der Sachverhalt lässt sich durch das FA nicht
aufklären, da sich beide widersprechen (X hat den Vorgang gebucht, Y
hingegen nicht). Für X ist dies eine steuermindernde Tatsache, für Y
eine steuererhöhende. Nach den Beweislastregeln wird das
FA bei X den Betrag nicht steuermindernd berücksichtigen, bei Y
hingegen nicht steuererhöhend.